Der Waldkindergarten richtet sich – wie die Regelkindergärten auch – nach dem allgemeinen Orientierungsplan, zu dessen Einführung die ErzieherInnen aller Kindergärten seit 2008 verpflichtet sind. Er umfasst neben der Qualtitätssicherung der pädagogischen Arbeit auch die Dokumentation zur Qualitätssicherung und die Dokumentation als Grundlage für Entwicklungsgespräche. Diese können für jedes Kind halbjährlich mit den ErzieherInnen verabredet werden. Bei aktuellen Anliegen können sich die Eltern jederzeit direkt an die ErzieherInnen wenden.
Wer sich von Euch Lesern für Details, Untersuchungen, Zahlen, Vorteile des Waldkindergartens gegenüber anderen Kindergärten interessiert, sei dazu eingeladen, Helges Ausarbeitung (www.wakigaki.de) durchzulesen.
8.1. Voraussetzung von Bewegung als Grundlage für das Lernen: Begreifen
Durch Bewegung – möglichst vielseitig und freudvoll- bilden sich im Gehirn Synapsen, die für die Ausbildung der Intelligenz entscheidend sind. Nur durch lebenslange Bewegungen bleiben diese Verbindungen zwischen den Nervenzellen aktiv. Also: Use It Or Loose It.
Diese Verbindungen werden also durch körperlich freie (uneingeschränkte) Bewegung in Raum und Zeit gefördert. Eine Einschränkung hätte immer eine Einengung der geistigen Beweglichkeit zur Folge. Deshalb lassen die ErzieherInnen die Kinder: Toben, Klettern, Balancieren, Entspannen, Laufen, Springen, möglichst sinnfrei und uneingeschränkt ohne einengende Aufgabenstellung. Die Kinder haben Möglichkeiten sich abzureagieren, wie sie in engen Kindergartenräumen nie hergestellt werden können. Freiwillig können immer wieder Situationen geschaffen werden, um sich mit eigenen Grenzen auseinanderzusetzen und diese auch zu überschreiten.
Die ErzieherInnen beobachten sehr genau, greifen nur bei Gefahr ein. Fallen lernt man erst durch fallen. Hinfallen ist die Grundvoraussetzung fürs wieder Aufstehen. Aufstehen, selber Stehen können bedeutet Selbständigkeit. Selbständigkeit ist eine Grundvoraussetzung um Handlungskompetenz ausbilden zu können, auch um Probleme und Aufgaben bearbeiten und lösen zu können.
Gelegentlich greifen die Erzieher das Spiel der Kinder auf und nehmen auch mal intensiv gespielte Themen der Kinder in ihr Angebot auf. Angebote der Erzieher gibt es demnach natürlich auch. Das kann in der WALDKINDIZEITUNG nachgelesen werden, die alle 2 Monate erscheint. Aber immer gilt: Kinder lernen nicht auf ein Kommando oder nach einem „Lehrplan“ am besten, sondern dann, wenn sie bereit dazu sind:
„Wenn ich nur darf, wenn ich soll,
aber nie kann, wenn ich will,
dann mag ich auch nicht,
wenn ich muss.
Wenn ich aber darf,
wenn ich will,
dann mag ich auch,
wenn ich muss.
Denn schließlich:
Die können sollen,
müssen wollen dürfen.“
(Graffiti am U-Bahnhof Alexanderplatz im Herbst 1989)
Mögliche Folgen einer Begrenzung der körperlichen Bedürfnisse im übrigen können Ursache für Defizite in der Sprachentwicklung und Konzentrationsfähigkeit sein (vgl. auch Renate Zimmer „Schafft die Stühle ab“).
Kinder spüren eine Reaktion auf ihre Bewegung. Sie lernen ihre Körpermaße, Körperumfang, ihr Gewicht kennen und einschätzen. So erfahren und BE-GREIFEN sie was sie bewirken. Sie nehmen sich wahr, was die Voraussetzung dafür ist, Anderes und Neues (zu Lernendes) zu begreifen. Mit Händen und Füßen, mit Haut und Haaren. Körper und Geist als Einheit, beides ist als gleichermaßen wichtig zu betrachten, denn schließlich geht das ganze Kind irgendwann zur Schule, nicht bloß der Kopf.
I hear – I forget
I read – I remember
I do – I understand
Durch dieses Erleben, Begreifen, sich Wahrnehmen als aktiver Teil seiner Umwelt können sie ein positives Selbstwertgefühl entwickeln. Bewegungssicherheit führt in hohem Maß zur Selbstsicherheit.
8.2. Die Bedeutung des freien Spiels
Ein wichtiger Schwerpunkt, unter dem der Alltag im Waldkindergarten zu betrachten ist, ist der Aspekt der Salutogenese (lat.: „salus“ = gesund und griech. „genese“ = Entstehung). Mehr darüber nachzulesen unter (www.wakigaki.de). Der Arzt E. Schiffer, hat sich intensiv mit der Salutogenese und der Suchtproblematik beschäftigt. Er nennt Öde und Langeweile als Vorstadien der Sucht und weißt darauf hin, dass diese nachhaltig für Kinder nur da entstehen, wo Erwachsene die schöpferische Kraft der Kinder unterdrücken oder gar verbieten. Im scheinbar sinnfreien Kinderspiel gehen die Kinder auf die Suche nach dem EIGEN-SINN, der Voraussetzung ist um die eigene Identität zu finden. Dabei geht vieles einher mit Eigen-Erfahrung.
Das Spiel im Wakiga bezieht seine Motivation aus sich selbst und bedarf keiner Reizsetzung von Außen. Dadurch werden sowohl das Gruppen- als auch das Selbstkohärengefühl gestärkt. Es entstehen soziale Bindungserfahrungen, die wichtig für spätere Bindungsfähigkeiten sind. Gute Bindungserfahrungen ermöglichen Liebe und Vertrauen.
8.3. Stille, Meditation, Kreativität
Die ErzieherInnen begleiten das Kind dabei, ein glücklicher Mensch zu werden, der seine Individualität und Persönlichkeit entfalten darf. Die Atmosphäre und Umgebung lädt die Kinder dazu ein, in Ruhe und Gelassenheit den Vormittag zu verbringen. Sie beobachten einen Käfer, hören raschelndes Herbstlaub, gestalten aus Naturmaterialien ein Bild. Solche „meditativen“ Erfahrungen sorgen für Wohlbefinden und inneres Gleichgewicht. Die Kinder dürfen sich wahrnehmen mit allen Sinnen:
- Gemeint ist, etwas zu tun und fast noch mehr, etwas nicht zu tun
- Erst mal zu schauen, erst mal sehen, wie die Anderen das machen
- Erst mal abwarten, den eigenen Rhythmus finden, den eigenen Standpunkt erkennen, die Perspektive wechseln
- Es gibt Kinder, die lernen durch ausprobieren und immer wieder ausprobieren und noch mal…
- Es gibt Kinder, die lernen durch zuschauen, ohne es selbst probiert zu haben. Oder aus Kombinationen, im eigenen Tempo und mit den eigenen Vorstellungen
- Aber es gibt kaum Kinder, die durch bloße Vorstellung, Kognition, lernen
- Noch weniger jedoch lernen Kinder durch Belehrungen
8.4. Pfützen schützen oder: Warum bewegen wir uns in der freien Natur?
Warum schützen Pfützen, wen oder was oder wovor schützen sie? Sie schützen die Kinder vor einer allzu technisierten, perfekten Welt, sie schützen vor der Sterilität von Plastikspielzeug und Modellbauten, sie schützen und müssen selbst geschützt werden. Sie schützen vor einem verarmten Immunsystem.
8.5. Ökologisches Bewusstsein
Unsere Kinder lernen die Natur zu achten und lernen ein großes Stück umweltbewusstes Verhalten und Handeln. Es ist ihnen mittlerweile unverständlich, dass Ältere einfach Dinge in die Natur werfen und ihren eigenen Erholungs-, Spiel- und Lernraum oftmals gedankenlos behandeln. Jede Woche sammeln die Waldkindergartenkinder und ihre Begleiter eine 20-Liter-Tüte voller Müll auf ihren Wegen ein und tragen sie aus dem Wald.
8.6. Ausdauer
Die Kinder nehmen das Wetter wie es kommt. Selten hört man ein Kind und nie unsere ausgebildeten Mitarbeiter über das Wetter klagen. Es gehört zur Natur, die Pflanzen brauchen Wasser und Sonne, Wind und Kälte zum Wachsen und Vermehren. Die Kinder machen sich diese Erfahrung zu Eigen, erfrischen sich an heißen Tagen im Lengenweiler See, entwickeln Ausdauer bei ihren Wanderungen und bei kaltem Wetter oder bei Regen. Diese Erfahrung nutzt ihnen auch nach ihrer Kindergartenzeit in der Schule, wenn sie als kräftige, gesunde Kinder den anstrengenden Schulalltag bewältigen und aushalten müssen.
8.7. Riesenentag
Die Riesen genießen einmal in der Woche einen Vormittag mit einem speziellen Programm, das von den Erziehern extra für sie angeboten wird. Das stärkt ihr Bewusstsein und die Gemeinschaft der kleinen Riesengruppe dafür, dass sie bald in die Schule gehen. So basteln sie z. B. zu einem Thema, Legen fantasievolle Naturbilder, Weben mit Naturmaterial, Backen z. B. Pizza, Bratkartoffeln oder Kochen Apfelmus, gehen einmal im Monat zum Schwimmen ins Hallenbad, Verbringen einen Morgen mit dem Kooperationslehrer der Grundschule und einem Sprachpädagogen des Hör-Sprachzentrums u. v. m…